Wer im Büro sitzt, kann nicht verstehen, wie es sich anfühlt, bei 35 Grad in Vollmontur stundenlang in der prallen Sonne zu stehen – ohne eine einzige Pause. Schon im Stehen läuft der Schweiss in Strömen. Und wir müssen dabei noch schwere körperliche Arbeit verrichten. Ich spüre, wie die Sommer jedes Jahr brutaler werden. Die Luft fühlt sich an wie 45 Grad im Ausland – schwer, drückend, kaum zu atmen.
Wenn ich abends nach Hause komme, bin ich oft so erschöpft, dass ich nicht mal mehr essen kann.
Solange sich gesetzlich nichts ändert, wird das immer schlimmer. Denn die Arbeitgeber tun nur das Nötigste – zum Beispiel die Ausgabe von Wasser im Sommer. In der Schweiz gibt es derzeit kein «Hitzefrei». Nur im Tessin dürfen Arbeiter an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen mit Hitzewarnstufe 3 früher nach Hause gehen. So eine Regelung sollte es landesweit geben, denn am Nachmittag brennt die Sonne am heftigsten.
Nach dem Mittag arbeiten wir nämlich oft vier Stunden durch. Die Suva empfiehlt, ab 33 Grad jede Stunde 15 Minuten im Schatten zu ruhen. Unser Polier würde darüber nur lachen. Eine Viertelstunde am Nachmittag – das ist das höchste der Gefühle. Und auch nur, wenn wir ausdrücklich darum bitten.
Besonders hart ist es an heissen Tagen auf den Hauptstrassen. Dort sind wir gesetzlich verpflichtet, lange Hosen zu tragen.
Gleichzeitig werden andere Vorschriften oft ignoriert, sobald niemand hinschaut. Keine Handschuhe, ungesicherte Baustellen – Hauptsache, es geht schneller. Zeit ist Geld. Einmal sollte ich in einen fünf Meter tiefen, ungesicherten Graben steigen. Wäre dieser eingestürzt, hätte ich sterben können. Ich habe mich geweigert.
Auf dem Bau gilt noch oft das Gesetz der Härte. Wer sich beschwert, gilt als Schwächling. Dass ich mit Anfang 20 bereits einen Bandscheibenvorfall hatte, interessiert niemanden. Und ich bin nicht der Einzige.
Kein Wunder, dass viele Junge den Job nicht mehr machen wollen. Zu viele Regeln, zu viel Dreck, zu viele Schmerzen.
Und dann ist da noch der Alltagsrassismus. Poliere, die dumme Witze machen. Vorgesetzte, die meinen Namen hören und direkt fragen, woher ich «wirklich» komme.
Einer hat sogar das N-Wort gesagt – hinter dem Rücken eines Kollegen. Beschwerden? Gibt es nicht.
Doch nicht nur von Vorgesetzten wird man von oben herab behandelt. Manche Menschen lassen beim Vorbeigehen verächtliche Kommentare fallen, während sie auf dem Weg in ihre klimatisierten Büros sind. Sie nörgeln wegen Absperrungen. Dass wir nur Vorschriften umsetzen, interessiert nicht. Dass wir bei Hitze körperlich arbeiten, auch nicht. Dass wir Respekt verdienen – sowieso nicht. Mich nervt, dass viele Leute im Büro auf hohem Niveau motzen, obwohl sie es eigentlich gut haben.
Ich merke, wie wir immer weniger geschätzt werden. Früher kamen noch öfter Anwohner zu uns, die sich für unsere Arbeit bedankten. Sie zeigten ihre Wertschätzung mit einem Kaffee im Winter. Oder einem Glace im Sommer. Ein «Merci» von älteren Leuten, die wussten, was harte Arbeit bedeutet. Dies wurde in den vergangenen Jahren immer seltener. Aber wenn es passiert, dann tut es gut. Dann weiss ich: Meine Arbeit ist etwas wert.
Nicht alles ist schlecht. Ich bin gern draussen. Ich mag den Gedanken, Spuren zu hinterlassen – über eine Strasse zu fahren und sagen zu können: «Die habe ich gebaut.» Aber es braucht mehr Schutz, mehr Pausen, mehr Respekt. Und weniger Gleichgültigkeit.
*Aufgezeichnet von watson
Achtet beim Kennenlernen von Menschen darauf, wie diese sich vs dem Putzpersonal etc verhalten.
Ist meist ein sehr guter Hinweisgeber.
Habe mal ein erstes Date direkt beendet als Madame die Servierfrau übelst und von oben herab wegen einer Nichtigkeit beleidigt hat. Ihre Reaktion darauf (nachdem sie sich kurz und halbherzig bei mir -nicht bei ihr- entschuldigen wollte) hat dann meinen Entscheid zu 100% bestätigt.